13. Amphi Festival
Von dunklen Klängen, fliegenden Schlüpfern und Gänsehautmomenten
23.07.2017 [sh] Patchouliduft und ein morbider Flair wehten am 22. & 23.07.2017 wieder über die Domstadt Köln. Hier lockte das Amphi Festival über 12.500 Anhänger der schwarzen Szene in den Tanzbrunnen, um gemeinsam mit einer musikalischen Mischung aus dunklen Electro-Klängen, mittelalterlichen Rhythmen, brachialem Rock und einem bunten Rahmenprogramm zu feiern. Auf drei Bühnen präsentierten sich Newcomer und Szenegrößen, während die Händlermeile dem Portemonnaie zusetzte und den Kleiderschrank füllte oder man chillig am hauseigenen Strand mit einem Cocktail vor der Kölner Skyline den Sonnenuntergang genoss. Dass mit der verflixten 13. Ausgabe natürlich nicht alles glatt gehen konnte, zeigte sich noch vor Beginn des Festivals. Aufgrund des niedrigen Wasserstandes am Kölner Rheinufer musste die MS RheinEnergie und zugleich die Orbit Stage auf die andere Rheinseite verlegt werden, was für die Besucher einen deutlichen Weg-Zeit-Aufwand bedeutete. Aber auch hier bewiesen die Organisatoren Talent und richteten kurzerhand einen Shuttlebusservice ein.
Samstag. Mit herrlichem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen ging es am Samstag Richtung Tanzbrunnen. Trotz verschärfter Sicherheitsrichtlinien und stärkeren Kontrollen hielt sich die Länge der auf Einlass Wartenden in Grenzen. Nach einer herzlichen Begrüßung durch Dr. Mark Benecke und dem gemeinschaftlichen Gedenken an den kürzlich verstorbenen und unvergessenen Linkin Park Frontmann Chester Bennington, legten Empathy Test mit feinstem Synthie Pop musikalisch gut vor und geleiteten die schon Anwesenden in das bunte Festivalwochenende. Trotz brennender Sonne und sengender Hitze, ließen Eisfabrik anschließend nicht nur den Eisbären zu den Electrobeats tanzen, sondern auch einen Schneesturm wüten. Auch Fabrik C, Chrom, Kite und Frozen Plasma bedienten die Electro-Anhänger. Mal mit krachig stampfigen, mal mit minimalistisch melancholischen Beats brachten sie die Besucher zum Tanzen, den Boden zum Beben und die Luft zum Flimmern. Der Slot von Frozen Plasma verursachte nicht nur kurzerhand einen Einlassstopp im Theater, Vasi und Felix’s Fans ließen zudem noch die Hüllen fallen oder besser gesagt die Schlüpfer fliegen. Rockig und zurück ins Mittelalter ging es mit Teufel und der Tanzwut und die Hamburger Lord of the Lost trieben das Stimmungsbarometer mit „La Bomba“ oder „Six Feet Underground“ weiter steil nach oben. Dieses Niveau konnten auch die nachfolgenden Bands Diary of Dreams mit gesanglicher Unterstützung von Torben Wendt (Diorama) und Fields of the Nephilim weiter ausbauen.
Im Theater hingegen salutierten und eskalierten Nachtmahr und Die Krupps verheizten auch den letzten noch vorhandenen Sauerstoff. Diorama hatten auf der gut gefüllten Orbit Stage mit anfänglichen technischen Problemen zu kämpfen, legten aber anschließend mit mitreißenden Rhythmen nach, sodass die Massen das Schiff zum Wanken brachten. Während Clan of Xymox auf der MS RheinEnergie die Besucher mit satten, aber getragenen Gitarrenriffs beschallten, rockte VNV Nation die Mainstage und erntete ein Meer aus in die Höhe gereckten Händen. Lautstark und textsicher sangen die Fans mit und Frontmann Ronan Harris gab sich überaus bewegungfreudig und fannah. Schlussendlich bescherte “Nova (Shine a Light on me)” einen wundervollen Gänsehautmoment, also die versammelte Masse den Backroundchor übernahm und alle Handytaschenlampen den Platz erhellten. Ein toller und euphorischer Abschluss des ersten Festivaltages und während wir den Heimweg antraten, konnten die Nimmermüden noch das Tanzbein bis in die frühen Morgenstunden schwingen.
Sonntag. Die Nacht zu kurz, das Bett verfügte über magische Anziehungskräfte und auch der Spiegel wäre wohl am Liebsten zersprungen. Kaffee half und sicherte das Überleben, die zusätzliche Portion Energy gab den Motivationsschub. Der reichte jedoch nicht um pünktlich zu Massive Ego und M.I.N.E. vor der Bühne zu stehen. Begleitet von den rockigen NDH-Klängen von Stahlmann passierten wir den Sicherheitscheck am Einlass und folgten dem Strom aufs Gelände. Vor der Bühne war die Masse schon am Feiern, sang und klatschte ausgelassen. Im Theater gab es derweil satten EBM auf die Ohren, Luzifer´s Aid servierten deftige Bässe kombiniert mit einer eindrucksvoller Stimme und düsteren Melodien. Harten Electrosound gab es auch mit Das Ich auf der Mainstage. Mit altbekannten Bühnenoutfits, immenser Spielfreude der Herren und so manch Klassiker, wie „Gott ist tot“, begeisterten sie jegliche Fanherzen.
Der Himmel nahm ein bedrohliches Grau an und ließ einen kräftigen Regenguss hernieder gehen. Dem entgegen wirkte Hocico, der laut, kompromisslos und überaus bewegungsfreudig die Bühnenbretter enterte. Die Fans nahmen die erfrischende Dusche an und tanzen sich zeitgleich im Rausch der geballten Electrobeats in Trance. Dem schlossen sich auch die nachfolgenden Combichrist an, die mit ihrem brachialen Sound die schwarze Masse vor die Bühne zogen und mächtig aufs Gas traten. Auch Andy und Konsorten nutzten ausladend die vorhandene Bühne und intonierten Kracher, wie „Get Your Body Beat“ oder „What The Fuck Is Wrong With You“. Die Energie übertrug sich aufs Publikum, das wiederum alles gab und noch einmal richtig aus sich heraus ging.
Während auf der Mainstage nun die Vorbereitungen für die Norweger Apoptygma Berserk getroffen wurden, die Letzte Instanz das Theater bis in die hinteren Reihen füllte, galt unser Interesse den Isländern Legend. Also kurzer Sprint zur Shuttlehaltestelle und los ging es auf die andere Rheinseite. Majestätisch lag die MS RheinEnergie unweit der Promenade. Kurzer Sicherheitscheck und rauf aufs Schiff. Dieses bot nicht nur Platz für die Orbit Stage, sondern auch die Möglichkeit in gepflegter Atmosphäre und toller Aussicht zu verweilen. Vor der Bühne wurde es eng. Nach den hämmernden Beats der letzten Stunden, zogen nun harmonisch sphärische Klänge durch das Schiff. Abschalten, Träumen und genießen.
Zu schnell war das Wochenende vergangen, Melancholie in Befürchtung des nahenden Endes machte sich breit. Aber was wäre ein echter Festivalabschluss ohne ein letztes fulminantes Aufbäumen. Dies übernahmen zum einen die Eisbrecher Crew auf der Mainstage und The Daniel Myer Project im vollen und aufgeheizten Theater. Erstere boten ein hitlastiges rockiges Set, welches bei den Fans nochmals jegliche Reserven mobilisierte. Die charmanten Ansagen, die einnehmende Bühnenpräsenz der Herren und Mitsinggaranten, wie „Verrückt“, „Willkommen im Nichts“ und „Miststück“, vertrieben die Wehmut, zumindest für den Augenblick. Daniel Myers Fokus hingegen lag auf schmetternden Electrobeats. Gemeinsam mit Sängern befreundeter Bands, unter anderem Eskil Simonsson, Sven Friedrich, Jean-Luc De Meyer, Boris May und dem soeben noch die Masse aufputschenden Andy LaPlegua, verhalf er so manch altem Haujobb und Destroid Klassiker zu neuem Glanz.
Wo ist die Zeit nur geblieben? Kurzweilig das Wochenende im Kreise lieber und verrückter Freunde mit tollen Gesprächen, intensiven Begegnungen und vor allem einem überaus breiten und vielseitigen LineUp. Unser herzlichster Dank gilt den Organisatoren, Beteiligten und zahlreichen Helfern des Festivals, die Jahr für Jahr Zeit und wohl auch Nerven investieren, um das Amphi zu einem einmaligen Erlebnis für die Fans werden zu lassen. Chapeau!